Die Leinweberei ob der Enns, die Basis für Restösterreich

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts verbreitete sich der Zunftkauf, bei dem der Kaufmann der Zunft meist im Herbst bekanntgab, was er produziert haben und kaufen wollte. Über diese Bestellung wurden die Meister informiert. Wer von den Webern produzieren konnte, gab dies dem Kaufmann schriftlich bekannt, worauf ein Vertrag zustande kam, über die gewünschte Leinwand, bis wann geliefert werden musste und wie hoch der Preis dafür war. Die Rohware wurde meist im darauffolgenden Jahr in der Fastnachstwoche geliefert, weil zu dieser Zeit die Geschäfte zum Bleichen der Gewebe begannen. Über die Monate produzierte Ware wurde beim Kaufmann abgeliefert, sobald sie fertiggestellt war und das vereinbarte Geld ausbezahlt, sofern der Kaufmann nicht schon Geld vorgestreckt hatte, damit der Weber überhaupt produzieren konnte.

Ab dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts war die Leinenerzeugung in einer Krise. Nur wenige deutsche Großkaufleute hatten begonnen die Ware von den Händlern und Verlegern in großem Stil zu Preisen unter Wert aufzukaufen und den Exporthandel an sich zu reißen. Das entzog den heimischen Händlern den Gewinn und den Webern mit ihren Familien sogar das Nötigste zum Leben. Damit verlagerte sich die Produktion in die einzelnen Häuser der Familien, die auf diese Weise dem Bedarf nachkamen. So gab es in Linz eine Wollzeugfabrik, die im 18. Jahrhundert Tausende Spinner und Weber beschäftigte, zumal den Leinwebern die Zeugweberei – das Weben der Wolle – nicht fremd war. Die von der Fabrik ausgelieferte Wolle wurde in Lohnarbeit an die Weber vergeben. Diese Fabriksweber erhielten einen vereinbarten Stücklohn.

Auf Messen wurden die Waren gehandelt. Damit die Kaufleute und Händler so viele wie möglich aufsuchen konnten, waren die Termine koordiniert. So zogen sie auf die Märkte in Linz (Ostern und Bartholomäi, 24. August) und Freistadt wo der -Binnen und Fernhandel nach Böhmen und von Oberdeutschland bereits im 14. Jahrhundert seine Drehscheibe hatte. Die Händler ob der Enns suchten zu Pfingsten und St. Katharina die Wiener Märkte auf, die zwei bis vier Wochen dauerten und sie kamen zu Mittfasten und Ägidi auf die Jahrmärkte nach Graz. Die österreichischen Kaufleute waren jedes Jahr auf den Märkten in Bozen vertreten, die sich vier Mal im Jahr über jeweils zwei Wochen erstreckten, und zwar um Mittelfasten, zu Pfingsten, um Ägidi und um Andreas. Und von hier ging die österreichische Ware über die italienischen Händler in den Orient und nach Süden.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts besaßen große deutsche Handelsfirmen sogenannte Faktoreien an den jeweiligen Handelsorten. Hier waren die Leiter, die sogenannten Faktoren, diejenigen, die den ausländischen Kaufmann vertraten und die Ware aussuchten und besorgten.

Je mehr sich die Weberei über das Land verbreitet hatte, umso mehr regulierten die Obrigkeiten. Und mit dem Verlust Schlesiens an den Preußenkönig Friedrich den Großen[10] im Jahr 1742 griff Maria Theresia in Oberösterreich fördernd ein. Der noch immer sehr umfangreiche Anbau von Flachs und Hanf im Mühlviertel wurde durch Einfuhr aus Südböhmen, Bayern und dem Bistum Passau vervollständigt. Es wurden Spinner- und Weberschulen errichtet und Werkzeuge an die Bevölkerung verteilt. Die Qualität der Leinwand und die Gleichmäßigkeit wurde mittels Verordnungen reguliert. Die hausindustrielle Betätigung war zur Basis der weiteren Entwicklung geworden. Das Leinen aus dem Mühlviertel fand Absatz in Südböhmen, Bayern und Passau, woher das Rohmaterial bezogen wurde und in Niederösterreich, Salzburg, Tirol und auch in Steiermark. Mitte des 18. Jahrhunderts war die Erzeugung von Leinen generell zurückgegangen, da die Qualität der Erzeugnisse stark nachgelassen hatte. Dadurch erlebte der Handel eine Blüte mit weniger aber qualitativ höherwertiger mittlerer Leinwand und zudem mit grober Leinwand, die ballenweise in die Erbländer exportiert wurde. Produzenten von Rohstoffen und Fertigware unterlagen zu dieser Zeit der Vorgabe, dass sie maximal drei Webstühle betreiben durften. Diese Beschränkung wurde jedoch 1769 aufgehoben und ab 1773 durften auch wieder mehrere Hilfskräfte beschäftigt werden. Es war das Einläuten einer Frühindustrialisierung. (vgl. Marks A., 1950. Das Leinengewerbe und der Leinenhandel im Lande ob der Enns von den Anfängen bis in die Zeit Maria Theresias (Bd. 95). Oberösterreichischer Musealverein).


[1] Eine Zinspalte entsprach einer Elle. Eine Elle entsprach in der Antike etwas mehr als 44 cm. Später wichen die Ellen (orientiert an der Länge des Unterarms) voneinander ab. Noch heute kennt man eine 50-cm-Elle und eine Ein-Meter-Elle. [2] Fürkauf: Spekulativer Vorwegkauf einer Ware zum gewinnträchtigen Weiterverkauf. [3] Rudolf II. * 18. Juli 1552 in Wien, † 20. Jänner 1612 in Prag. 1576-1612 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, 1575-1611 König von Böhmen, 1572-1608 König von Ungarn, 1576-1608 Erzherzog von Österreich. [4] Hauptlade: „Lade“ wurde als Synonym für „Zunft“ verwendet. Eine Hauptlade, Zunftlade, Amtslade oder Zunftdruhe beinhaltete alle wichtigen Dokumente einer Zunft und wurde beim Zunftmeister oder im Zunfthaus verwahrt. Sie spielte bei Zusammenkünften eine große Rolle. [5] Wergleinwand: Werg ist Abfall, der beim Hecheln von Flachs entsteht. Die Fasern sind kurz und verunreinigt. Wergleinwand wurde als minderwertiges Qualitätsprodukt als Hausleinen verwendet. [6] Drillich: dicht verwobene, reiß- und strapazierfähige Baumwolle oder Leinen in Körperbindung. [7] Zwillich: Das Muster wurde mit den Einschlagsfäden erzeugt, erfordert aufwendigere Webstühle und mehr Können von den Webern. Zwillich war auf dem Land wenig verbreitet. [8] Kettenfäden: Im Webstuhl längs aufgespannte Fäden, die mit dem quer liegenden Schussfaden verwoben werden. [9] Der preußische König, Friedrich II., ließ im Zuge der Kolonisation innerhalb seines Machtbereiches auch Weber in Schlesien (Polen) ansiedeln, wodurch das Gebiet um 1800 zu einem führenden Leinengebiet wurde. Teilweise machte er ihnen wirtschaftliche Versprechungen, scheute aber auch vor Menschenraub in den Nachbarstaaten nicht zurück. (vgl. austria-forum.org; Wikipedia). [10] Friedrich der Große, auch Friedrich II, * 24. Jänner 1712 in Berlin, † 17. August 1786 in Potsdam.

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